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Epidemiologen sind sich weitgehend einig, dass eine Korrelation zwischen akuten und lokal erhöhten Konzentrationen feiner Partikel und der Schwere der Influenza-Wellen besteht. «Wir haben untersucht, ob ein solcher Zusammenhang auch mit der Virulenz der COVID-19-Krankheit besteht», sagt Mario Rohrer, Forscher am Institut für Umweltwissenschaften der naturwissenschaftlichen Fakultät der der UNIGE und Direktor von Meteodat.
Eine überraschende Zeitverzögerung
In Italien und Frankreich durchgeführte COVID-19-Studien legen nahe, dass SARS-CoV-2 bereits Ende 2019 in Europa vorhanden war, während ein starker Anstieg der Morbidität und Mortalität erst im Frühjahr 2020 in Paris und London zu verzeichnen war. «Diese zeitliche Verzögerung ist überraschend. Sie deutet darauf hin, dass die Virusübertragung – vor allem aber auch die Schwere der Infektion – nebst der Interaktion mit anderen Menschen auch durch andere Faktoren gefördert wird», sagt Mario Rohrer. Er und seine Kollegen konnten zeigen, dass ein Anstieg der Fallzahlen in Paris und London im Zusammenhang mit Situationen erfolgt, bei denen der Anteil des Feinstaubs in der Luft erhöht war.
Ähnliche Beobachtungen machte das Team im Schweizer Kanton Tessin, wo die Feinstaubbelastung während einer Periode flachen Nebels in der Magadino-Ebene und im Sotto Ceneri Ende Februar 2020, stark zunahm. «Kurz darauf wurde im Kanton Tessin ein explosiver Anstieg an Krankenhauseinweisungen aufgrund von COVID-19 registriert. Die Tatsache, dass gleichzeitig eine grosse Karnevalsveranstaltung mit rund 150 000 Besuchern stattfand, hatte vermutlich einen zusätzlichen Einfluss auf die Verbreitung des Virus «, sagt Mario Rohrer.
Die Informationen sind auch für die Schweiz wichtig, da der Anstieg der Feinstaubkonzentrationen besonders häufig bei thermischen Inversionen auftritt, sprich wenn sich über dem Schweizer Mittelland oder dem Südtessin Nebel bildet. Dabei wird der Austausch von Luftmassen begrenzt und Emissionen sammeln sich in der Luftschicht unter dem Nebel an. Daneben wird die Schweiz auch regelmässig von Saharastaub-Ereignissen erfasst, auf deren Gefahren in dieser Studie ebenfalls hingewiesen wird.
Feinstaub als erschwerender Faktor
Das Schweizer Forscherteam zeigt, dass akut hohe Feinstaubkonzentrationen – insbesondere die feinen Partikel unter 2,5 Mikrometer – Entzündungen der Atemwege, der Lunge und des Herz-Kreislauf-Trakts verursachen und das Blut verdicken. «In Kombination mit einer viralen Infektion können diese Entzündungsfaktoren zu einem ernsthaften Fortschreiten der Krankheit führen. Hohe Feinstaubkonzentrationen erleichtern wohl auch das Andocken und Eindringen des Coronavirus in menschliche Zellen «, sagt Mario Rohrer. Schliesslich kann Covid-19 auch durch Feinstaubpartikel transportiert werden. «Diese wurde bereits für Influenza nachgewiesen, und eine italienische Studie fand Coronavirus-RNA auf Feinstaub-Partikeln. Ob diese Covid-2-RNA, welche an Feinstaub anhaftet, noch gefährlich ist, muss jedoch noch nachgewiesen werden, möglich scheint es aber schon», fügt Rohrer hinzu.
Eine multifaktorielle Pandemie
Gleichzeitig legen die Forscher Wert auf die Feststellung, dass hohe Feinstaubbelastungen zwar die Virulenz des Virus und mögliche schwere Krankheitsverläufe verschlimmern können, dass aber klar auch physiologische, soziale oder wirtschaftliche Faktoren den weiteren Verlauf der Pandemie beeinflussen werden. Mario Rohrer hält abschliessend fest, dass die Erkenntnisse dieser Studie die Möglichkeit bieten, um bei einem voraussehbaren, künftigen Anstieg der Feinstaubwerte präventive Massnahmen zu ergreifen und so ein neues Aufflammen der Covid-19-Morbidität und Mortalität zu begrenzen.