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Doppelt so viele Erdbeben in der Schweiz im vergangenen Jahr

Hier gab es Erdbeben im Jahr 2019.
Hier gab es Erdbeben im Jahr 2019. (Bildquelle: SED)

Im vergangenen Jahr haben sich in der Schweiz und im grenznahen Ausland doppelt so viele spürbare Erdbeben ereignet wie im langjährigen Durchschnitt. Aus der Bevölkerung gingen beim Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich zu beinahe fünfzig der insgesamt 1'670 aufgezeichneten Erdbeben fünf oder mehr Verspürtmeldungen ein. Die Mehrheit der Beben steht in Zusammenhang mit fünf aktiven Erdbebensequenzen, welche die Erdbebenaktivität im Jahr 2019 geprägt haben. Eine davon lag im Wallis im Gebiet zwischen Anzère und dem Sanetschpass. Die vier weiteren ereigneten sich im Grenzgebiet zur Schweiz bei Courmayeur (I), Novel (F), Konstanz (D) sowie Chamonix (F).

Erdbeben treten in der Schweiz oft in Form von Sequenzen auf, die auch Erdbebenschwärme genannt werden und sich durch eine zeitliche Häufung von Beben an einen bestimmten Ort auszeichnen. Ungewöhnlich am vergangenen Jahr ist die Anzahl der sehr aktiven Erdbebensequenzen, infolge derer sich mehr spürbare Beben als üblich ereigneten und so viele Beben aufgezeichnet wurden wie noch nie seit Beginn der modernen Erdbebenüberwachung in den 1970er Jahren. Für Menschen spürbare Beben weisen in der Regel eine Magnitude von 2.5 oder mehr auf.

Eine ähnliche Häufung von wahrnehmbaren Beben trat letztes Mal im Jahr 1964 auf, als bei Sarnen (OW) über mehrere Monate eine ausgeprägte Erdbebensequenz mit Beben von Magnituden von bis zu 5.3 die Bevölkerung stark beunruhigte. Eine so hohe Erdbebenaktivität wie im Jahr 2019 ist zwar selten, aber weder unerwartet noch ein Hinweis auf eine erhöhte Erdbebengefährdung in den nächsten Monaten und Jahren.

Erdbebenschwarm im Wallis

Am meisten Beachtung in der Bevölkerung erlangte ein Erdbebenschwarm im Wallis mit 16 spürbaren Beben, zu denen aus der Bevölkerung insgesamt etwa 2'000 Verspürtmeldungen eingingen. In der ersten Novemberhälfte ereigneten sich nördlich von Sion zwischen Anzère und dem Sanetschpass insgesamt mehr als 300 Beben, die zwei grössten mit einer Magnitude von 3.3. Erste Analysen deuten darauf hin, dass bei dieser Sequenz mehrere Verwerfungen gleichzeitig aktiviert wurden, die sich gegenseitig beeinflussten.

Im Unterschied dazu weist die Bebenaktivität auf der Halbinsel Bodanrück in der Nähe von Konstanz (D) auf eine einzelne aktivierte Struktur im Untergrund hin. Die Beben dort zeigen alle einen ähnlichen Bruchmechanismus. Dieser Schwarm mit insgesamt sieben spürbaren Beben verweist auf eine seismisch aktive Grabenstruktur in der Region Hegau-Bodensee.

Grösstes Erdbeben bei Novel

Das grösste Beben im Jahr 2019 mit einer Magnitude von 4.2 ereignete sich Ende Mai als Teil des Erdbebenschwarms bei Novel (F). Aus der Bevölkerung erreichten den SED alleine zu diesem Ereignis 600 Verspürtmeldungen. Das zweitstärkste Beben trat in Zusammenhang mit dem Schwarm bei Konstanz (D) mit einer Magnitude von 3.7 auf. Mit 410 Beben verzeichnet die schon länger aktive Sequenz bei Courmayeur (I) im Bereich des Mont-Blanc-Massivs die grösste Anzahl an Ereignissen im Jahr 2019.

Die Gesamtanzahl von 1’670 aufgezeichneten Beben stellt einen neuen Rekord dar. Neben der hohen Erdbebenaktivität im vergangenen Jahr ist dieser auch eine Folge der fortschreitenden Verdichtung und Modernisierung des seismischen Messnetzes. Für Seismologinnen und Seismologen sind mehr aufgezeichnete Beben hilfreich, weil sie es erlauben, den Untergrund und die Seismotektonik der Alpen zunehmend detaillierter abzubilden. Damit lassen sich unter anderem die Grundlagen für zukünftige seismische Gefährdungs- und Risikoabschätzungen verbessern.