Basel-Stadt

Basel BS - Studierende empört nach sexueller Belästigung an der Uni Basel

(Bildquelle: Studierende der Universität Basel)

Studierende der Universität Basel haben nach den Vorfällen sexualisierter Gewalt einen öffentlichen Brief verfasst.

Heute am 16.9. fängt das neue Uni-Semester an. Neben neuen StudentInnen kommen alte Gesichter zurück - so auch der Dozent gegen den im Frühjahr 2018 Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt laut wurden. Aufgrund der Vorwürfe wurde eine Kommission eingerichtet, ein Rechtsgutachten erstellt - obwohl sich die Tatperson in einer internen Mail zu den Vorwürfen bekannte - wurde all dies ausschliesslich innerhalb der Universität und ihren Gremien verhandelt.

Die wenigsten Studierenden wissen darüber Bescheid, die Öffentlichkeit noch weniger. Einige Studierende sind sehr aufgebracht über den Umgang der Uni mit ihren Studierenden, mit der Akzeptanz, ja gar dem Schutz von Tatpersonen und der - leider erfolgreichen - Verschleierungstaktik. Dagegen hat sich Widerstand gebildet und als erster Schritt wurde ein öffentlicher Brief formuliert:

Basel, 16. September 2019

Empört Euch!

Sehr geehrte Angesprochene

Das Ihnen vorliegende Schreiben ist Ausdruck unserer Empörung über die Vorfälle sexualisierter Gewalt an unserer Universität, die im vergangenen Jahr bekannt wurden, wie auch Ihr Umgang mit diesen.

Eine kurze Darstellung der Geschehnisse

Eine detailliertere Schilderung der Vorfälle möchten wir aus Persönlichkeitsschutzgründen gegenüber der Betroffenen, sowie aus Achtsamkeit gegenüber anderen Betroffenen sexualisierter Gewalt an dieser Stelle nicht vornehmen. Die nachfolgenden Informationen entstammen Stellungnahmen der Betroffenen, sowie der öffentlichen Berichterstattung.

Über einen mehrjährigen Zeitraum hat ein Professor unserer Universität eine PhD-Studentin sexuell belästigt und ihre Grenzen gewaltsam missachtet. Die Tatperson stand zu diesem Zeitpunkt als "Doktorvater" in einem Betreuungsverhältnis mit der Betroffenen. Bereits im März vergangenen Jahres versuchte die Betroffene eine offene Aussprache mit der Tatperson und dessen Research Associate anzustossen. Als diese abgelehnt wurde, reichte die Betroffene im Mai 2018 eine Beschwerde ein und bat bei der uni-internen Anlaufstelle für sexuelle Belästigung um Unterstützung.

Eine externe Juristin wurde für die Abklärung der vorgebrachten Beschwerde eingesetzt. Ein halbes Jahr nach der Anzeige wurde der Untersuchungsprozess abgeschlossen und der Fakultät ein Bericht vorgelegt. Die Tatperson bestätigte mittlerweile die Aussagen der Betroffenen.

Die Betroffene bat mehrmals um einen BetreuerInnen-Wechsel, doch die Tatperson lehnte dies jedes Mal ab. Zu Forderungen der Betroffenen wurde seitens der Universität bis dato nicht Stellung bezogen. Die Betroffene löste daraufhin ihr Betreuungsverhältnis auf und brach ihr PhD-Studium an der Universität Basel ab. Der Professor hingegen nimmt nach einem schon zuvor geplanten, halbjährigen Sabbatical seine Lehr- und Betreuungstätigkeit in diesem Herbstsemester wieder vollumfänglich auf.

Der Umgang der Universität Basel in dieser Sache ist empörend! Angesichts des Umgangs mit den Vorfällen scheint es, als ob das Wohl Betroffener von sexualisierter Gewalt im Speziellen und Studentinnen und Mitarbeiterinnen im Allgemeinen unserer Universität gleichgültig ist. Die Vorgänge der letzten eineinhalb Jahre entlarven die universitären Statements zur Diskriminierungsfreiheit als Lippenbekenntnisse:

"Ziel ist es, die Universitätsstrukturen sowie die Organisations- und Wissenschaftskultur durchgängig diskriminierungsfrei, [...] zu gestalten" Fachstelle Diversity, Universität Basel, 2019.

Trotz mehrmaliger Versuche der Betroffenen verschiedene Stellen der Universität auf die Übergriffe aufmerksam zu machen, geschah - Nichts. Vielmehr wurden die Vorfälle heruntergespielt, verneint und normalisiert. Selbst KommilitonInnen zeigten sich nicht parteilich, sondern zweifelten an ihren Schilderungen. Die Betroffene sah sich gezwungen sich an die Medien zu wenden, um die Übergriffe öffentlich zu machen. Es ist unglaublich, welch zusätzlichen Belastungen und Kraftakten sich die Betroffene aussetzen musste, um Gehör zu finden!

Symptomatische Ansätze wie die Einrichtung einer Case-Management-Stelle, hinter der sich die neu geschaffene Kommission "zum Vorgehen in Fällen sexueller Belästigung" verschanzt, sind sicherlich begrüssenswert. Dennoch sind sie weder weitreichend genug um "flache Hierarchien" zu schaffen, mit der sich die Leitung der Universität brüstet, noch sind sie in keinster Weise ausreichend, um einen antidiskriminatorischen Umgang zu etablieren.

Bis zum heutigen Tag gibt es kein offizielles Statement der Universität zu den Vorfällen und den getroffenen Massnahmen darauf. Wir sind empört über die aktive Verschleierungstaktik und werden diese nicht weiter hinnehmen!

Die Studierendenschaft erachtet diese Geschehnisse und den Umgang der Universität damit als untragbar, und tritt mit folgenden Forderungen an Sie heran:

  • Sofortige Entlassung: Wir fordern die sofortige Entlassung der Tatperson!

  • Stellungnahme: Wir fordern eine detaillierte öffentliche Stellungnahme von der Fakultätsleitung, inwiefern es tragbar sein soll die Tat_Person weiterhin in einem Betreuungsverhältnis zu beschäftigen, insbesondere wenn zukünftige Fälle vermieden werden sollen.

  • Transparenz: Wir fordern die anonymisierte Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes und die daraus abgeleiteten Massnahmen und Sanktionen der Universität Basel. Ebenfalls fordern wir die Veröffentlichung des Rechtsgutachtens des Datenschutzbeauftragten des Kantons Basel-Stadt, welches klarzustellen hatte, welche Details des Vorfalls kommuniziert werden können.

  • Code of Conduct: Wir fordern einen "Code of Conduct", welcher Dozierende zu einem achtsamen, respektvollen Umgang verpflichtet und entsprechende Schulungen von Dozierenden vorschreibt. Wir fordern die Erstellung eines solchen "Code of Conduct" unter Einbezug aller Ansprechsgruppen, unabhängig ihrer Hierarchiestufe.

  • Kampagne: Wir fordern eine dringend notwendige Bewusstseinsschärfung zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt an der Universität Basel und folglich die Lancierung einer Kampagne, welche über die Rechte von Studierenden und Mitarbeitenden in Diskriminierungsfällen, sowie zu möglichen Re_Aktionen darauf informiert. Vorhandenen Stellen sollen ebenfalls dabei eine grössere Sichtbarkeit erhalten, um ein achtsames Klima an der Universität zu forcieren.

  • Prävention: Wir fordern einen reflektierten Umgang mit hierarchischen Strukturen an der Universität Basel und einen Plan diese abzubauen. Dazu gehört unter anderem:

    • Vermeidung des Ausgeliefertseins an nur eine Betreuungsperson: Keine Mehrfachabhängigkeiten (Anstellungs-, Benotungs- und Betreuungsverhältnis).

    • Vermeidung von Auslandsreisen zu zweit, wenn ein/e Teilnehmer/in in einem Abhängigkeitsverhältnis zur anderen Person steht.

    • Benennung einer (externen) Person, die im Hinblick auf Betreuer*innen-Wechsel unterstützend wirkt (auf Fakultätsebene).

  • Einrichtung von ergänzenden Anlaufstellen: Wir fordern Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierungen. Diese sollen niederschwellig und somit unabhängig von offiziellen universitären Strukturen sein:

    • Awareness-Strukturen, welche von StudentInnen selbstverwaltet mit einem eigenem Budget agieren.

    • Einrichtung einer externen psychologischen Anlaufstelle (vgl. diesbezügliche Praxis der Universität Bern).

    • Einrichtung einer Dokumentationsstelle von Mikrodiskriminierungen aller Art, sowie die regelmässige Veröffentlichung derselben. Mikrodiskriminierungen sollen anonymisiert online abrufbar sein für die Öffentlichkeit.

Der Schutz der Studierenden und Mitarbeitenden der Universität hat beim Umgang mit Übergriffen jeglicher Art an erster Stelle zu stehen. Wir sind überzeugt, dass nur unter Einbezug der oben genannten Massnahmen weitere Fälle von Diskriminierungen und sexualisierter Gewalt vermieden werden können und verlangen von Ihnen, die Forderungen bestmöglich umzusetzen.

Wir bewundern den Mut und die unglaubliche Energie der Betroffenen und fordern zukünftig von allen Seiten bedingungslose Parteilichkeit mit Betroffenen jeglicher Diskriminierungen. Ein solches Versagen darf sich nicht wiederholen!

Wir möchten dazu aufrufen: Nehmt jegliche Äusserungen bezüglich Grenzüberschreitungen ernst! Dies ist nicht der erste und auch nicht der letzte Fall - sexualisierte Gewalt ist überdies nicht die einzige Form von Diskriminierung.

Wir sind der Betroffenen dankbar für ihren Einsatz: Unsere Forderungen sollen ihren Widerstand gegen ausbeuterische Machtbeziehungen fortführen.

Mit freundlichen Grüssen,
Studierende der Universität Basel